26.05.20

Sturzprophylaxe-Blog_650x330

So lange wie möglich zuhause wohnen?

Stürze sind ein zentrales Thema. Verletzungen aufgrund eines Sturzes können im Alter dazu führen, dass die Selbständigkeit nachlässt und die Pflegebedürftigkeit steigt. Heilungschancen sind geringer. Deswegen: Stürze einfach sofort vorbeugen.

Einer der größten Wünsche der Menschen ist es, auch im Alter in den eigenen vier Wänden zu wohnen. In ein Pflegeheim, Wohnstift oder Altersheim ist für alte Menschen ein großer Verlust an Selbstwert und Selbstständigkeit. Nur wenige gehen und aus eigenem Wunsch dort hin.

Warum gehen ältere Menschen gegen ihren Willen doch in ein Pflegeheim? Sie haben gesundheitliche Einschränkungen. Diese resultieren aus Stürzen bei denen Hüfte, Bein oder Arm gebrochen wurden. Die Genesung ist im Alter ein schleppender Prozess. Währenddessen ist der Gestürzte auf die Hilfe von Dritten angewiesen. Die Angehörigen können die Pflege, wenn überhaupt, nur kurze Zeit stemmen. Die einzige Lösung scheint der Weg ins Pflegeheim. Das Absurde ist, dass die Mehrheit der Stürze nicht unterwegs beim Einkaufen oder Spazierengehen passieren, sondern in den eigenen vier Wänden.

In unserer Blogserie „So lange wie möglich zu Hause wohnen“ gehen wir zunächst auf die Gründe von Stürzen ein und erklären Ihnen, was Sie schon jetzt konkret tun können, um Stürze zu vermeiden. Im nächsten Teil erfahren Sie, wie Sie sich eine Bewegungsroutine aufbauen, die sie aktiv und fit hält. Im letzten Teil stellen wir Ihnen Hilfsmittel vor, die für einen eigenständigen Alltag zuhause und unterwegs nutzen können. Auf geht’s!

Gründe für ein erhöhtes Sturzrisiko im Alter

Sturz-Risikofaktoren

Die Ursachen für die erhöhte Sturzgefahr sind vielfältig. Ein paar davon sind vermeidbar, ein paar liegen einfach in der Natur des Menschen. Sämtliche Sinnesorgane wie Augen und Ohren verändern sich. Aber auch Motorik und Beweglichkeit schränken immer weiter ein.

Die Wahrnehmung von Farben und Geräuschen „stumpft“ ab. Das ist ein schleichender Prozess, den der Betroffene meist gar nicht so richtig wahrnimmt. Die Motorik schränkt sich ebenfalls ein. Muskeln bauen sich aufgrund von Bewegungsmangel weiter ab.

Augen und Sehvermögen

Rund 90% aller Sinneseindrücke nimmt der Mensch über das visuelle System, sprich den Augen, auf. Durch Veränderungen im Alter werden diese Eigenschaften immer weiter eingeschränkt:

  • Sehschärfe nimmt ab
  • Akkomodationsfähigkeit nimmt ab (Wechsel von Fern- und Nahsehen)
  • Adapationsgeschwindigkeit nimmt ab (Wechsel von heller und dunkler Umgebung)
  • Farbtüchtigkeit nimmt ab
  • Lichtbedarf wächst
  • Blendempfindlichkeit nimmt zu

Diese Einschränkungen passieren schleichend. Die Iris kann sich nicht mehr so weit vergrößern. Dadurch gelangt weniger Licht auf die Netzhaut im Auge und die Sicht im Dunkeln wird immer schlechter. Die maximale Größe der Pupille liegt bei nur noch 25% bei 80-jährigen Personen, gegenüber eines 20-jährigen.

Der horizontale und vertikale Blickwinkel wird immer geringer. Das heißt, das Sichtfeld, das bewusst und unbewusst z.B. beim Gehen wahrgenommen wird, immer kleiner wird. Darum müssen ältere Menschen beim Gehen stärker auf den Boden schauen als jüngere Menschen.

Die Linse im Auge trübt sich im Alter immer weiter ein. Daraus resultieren unscharfes Sehen, größerer Lichtbedarf, höhere Blendenwirkung und schlechtere Farbwahrnehmung.

Aus diesen Gründen wird es schwierig sich ohne Hilfsmittel, wie eine Brille oder ausreichende helle Umgebung, sicher und sturzfrei zu bewegen.

Mobilität und Gleichgewichtssinn

Neben den Sinnesorganen baut der Körper auch weitere Grundfähigkeiten weiter ab. Dazu gehören:

  • Gesamtkörper-Mobilität
  • Kraft
  • Sensomotorik
  • Fein- und Grobmotorik
  • Reaktion
Kraft-Balance-Training

Bereits im Alter von 20 Jahren vermindern sich die Tastkörperchen und ab 30 Jahren die Hautsensibilität. Das Fühlen und Spüren mit Hand, Haut und Körper wird schwieriger und stumpfer.

Bereits im Alter von 30 Jahren lässt die Muskelkraft nach. Regelmäßige Bewegung in jüngeren Jahren sind daher für die Mobilität im Alter ein sehr wichtiger Faktor. Ab 55 Jahren wird die Gelenkbeweglichkeit eingeschränkt, die geschmeidige und kontrollierte Bewegungen immer schwieriger machen, sofern man nicht aktiv trainiert.

Die Bewegungseinschränkungen machen sich insbesondere beim Bücken, Gehen und Umdrehen bemerkbar. Sowohl die Gelenke als auch die Muskeln in den Händen werden „steif“ und machen Greifbewegungen, Heben, Tragen und Drücken zu einer Herausforderung.

Auch Stolpern gehört hier dazu. Die Muskeln und Reaktion bei einem jungen Menschen können das noch gut abfangen. Im Alter, wenn Muskeln und Gelenke schwächer und langsamer werden, kann ein Stolperer nur schwer abgefangen werden. Dies kann zu fatalen Stürzen führen.

Sensorische Fähigkeiten

Die Sensomotorischen Fähigkeiten werden z.B. fürs Autofahren oder Treppensteigen gebraucht. Das sind also Verhaltensabläufe, bei denen sensorische Wahrnehmung mit einer motorischen Verhaltensreaktion gekoppelt ist. Beispiel Autofahren: Ein Kind rennt auf die Straße, die sensorische Wahrnehmung über das Auge ist „Achtung Kind läuft auf die Straße!“, die motorische Verhaltensreaktion wäre „Bremsen und Ausweichen!“. Beispiel Treppensteigen: Sensorische Wahrnehmung „Vorsicht Stufe“ und die Reaktion ist „Bein höher Anheben als normalerweise“.

Allerdings wird genau diese Verknüpfung, die normalerweise blitzschnell und „ohne nachzudenken“ passiert, immer langsamer und muss immer bewusster gesteuert werden. Aus diesem Grund bergen Stufen und Treppen ein enormes Sturzpotential oder macht das Autofahren bei älteren Menschen zum Risiko.

So machen Sie Ihr Zuhause sturzsicher

StolperfalleTeppich

Um den altersbedingten Einschränkungen Herr zu werden oder zumindest gut mit ihnen leben zu können, bedarf es häufig nur ein paar kleinerer Änderungen im Zuhause. Hinweis: Das Stichwort „barrierefrei“ garantiert Barrierefreiheit nach einer Norm, wohingegen „seniorengerecht“ lediglich ein schöner Marketingbegriff ist und sich auf keinerlei Normen beruft.

Wohnzimmer

Im Wohnzimmer sollten in erster Linie sämtliche Stolperfallen aus dem Weg geschafft werden. Das gilt für die Kabel einer Lampe, sowie für Couchtisch oder Teppiche. Räumen Sie alle Gegenstände, über die Sie stolpern können, weg. Insbesondere bei Dunkelheit bergen sie unsichtbare Risiken.

Badezimmer

Haltegriff-Badezimmer

Fußmatten bilden im Badezimmer erhöhte Stolper- und Sturzgefahr. Für das WC ist eine Sitzerhöhung oder ein mobiles Toilettenstützgestell eine sinnvolle Anschaffung. Etwas kostenintensiver kann der Umbau der Dusche sein. Eine kleine Duschkabine macht das Duschen im Alter zur Tortur. Die Dusche sollte ebenerdig sein und groß genug um dort bequem mit einem Duschhocker sitzen und sich drehen zu können.

Um den nächtlichen Toilettengang nicht ungefährlich zu überstehen, sollte der Weg vom Bett bis zu der Toilette freigeräumt und ausgeleuchtet sein. Dasselbe gilt auch für den Weg von der Couch zur Toilette.

Treppenhaus

Stufen und Treppen zählen zu den gefährlichsten Hindernissen in einer Wohnung. Das Stolper- und Sturzpotential ist enorm. Hier sollten an jeder Stufe oder zumindest der ersten und letzten Stufe Leuchtstreifen angebracht werden, damit sie deutlich sichtbar sind. Ein zweiter Handlauf hilft Ihnen, sich an beiden Seiten festzuhalten. Auch ein Treppenlift sollte rechtzeitig in Betracht gezogen werden.

Allgemeine Tipps: Beleuchtung, Brille, Medikamente etc.

Grundsätzlich hilft es allen häufig gebrauchten Gegenständen, wie Brille, Fernbedienung oder Pillendose einen festen Platz zu geben, um langes Rumgesuche zu vermeiden. Die Wohnung sollte hell beleuchtet sein, was mit modernen LED-Lampen kostengünstig zu machen ist. Es ist hilfreich, wenn das Licht vom Bett, der Couch oder dem Sessel aus an- und ausgemacht werden kann, um nicht bei Dunkelheit gehen zu müssen. Falls das nicht überall umsetzbar ist, räumen Sie unbedingt alle Stolperfallen (Teppiche, kleine Schränke, Schuhe, etc.) aus dem Weg.

Bewegung tut gut: Wer rastet der rostet

Die bisherigen Tipps helfen Ihnen dabei sich den gegebenen Umständen anzupassen. Gegen die Einschränkungen der Augen und anderen Sinnesorgane ist leider nur bedingt etwas machbar. Allerdings können Muskeln und Gelenke durch regelmäßig und leichte Übungen aktiv gehalten werden. Dabei ist es noch nicht erforderlich Hochleistungssport zu treiben. Regelmäßiges Spazierengehen und einfache Dehnübungen reichen dabei vollkommen aus. Das wichtige ist: Routine und Regelmäßigkeit!

Welche Übungen Sie aktiv halten und Ihre Beweglichkeit fördern, zeigen wir im nächsten Artikel - Bewegung im Alter: Der beste Weg zur Gesundheit ist zu Fuß